„Aber es ist doch klar, dass ich Recht habe! Warum sieht das niemand?“
In der Konfliktklärung führt diese Fixierung auf „die Wahrheit“ jedoch selten zum Ziel. Nachhaltige Lösungen erfordern eine differenzierte Betrachtung dessen, wie der Konflikt entstanden ist. Welche Perspektiven, Schlüsselerlebnisse, Themen, Werte und Bedürfnisse stehen dahinter? Erst wenn dies sichtbar gemacht wird öffnet sich ein Raum für neue Lösungsansätze.
Unsere Erfahrung in der Konfliktmoderation zeigt: Neben dem gegenseitigen Verständnis ist es entscheidend, das übergeordnete Ziel nicht aus dem Blick zu verlieren. Denn viele Konflikte entstehen da, wo die Zusammenarbeit funktionieren muss, damit die Organisationsziele erfüllt werden können – und nicht, weil die Beteiligten grundlegend gegeneinander arbeiten wollen.
Ein wirkungsvolles Modell, um die Gesprächskultur bereits im Vorfeld positiv zu beeinflussen, ist das Modell der vier Ebenen des Zuhörens von Otto Scharmer. Es zeigt auf, wie die innere Haltung beim Zuhören die Dynamik von Gesprächen und Konflikten verändert:
Ein Beispiel aus der Praxis: Zwischen zwei Abteilungen – z. B. IT und Marketing – sind Prozesse und Verantwortlichkeiten unklar, die Kommunikation funktioniert nur bruchstückhaft:
- Zuhören auf Basis bestehender Überzeugungen (Downloading):
Beide Seiten hören nur, was ihre Sicht bestätigt: „Die IT reagiert nie rechtzeitig.“ – „Das Marketing liefert ungenaue Anforderungen.“ Das Gespräch kommt nicht voran. - Objektiv-faktisches Zuhören:
Fakten werden aufgenommen – „Ihr bekommt unsere Inputs zu spät“ – ohne Bereitschaft, das dahinterliegende Problem tiefer zu durchdringen. Austausch bleibt oberflächlich. - Perspektivübernahme (empathisches Zuhören):
Jetzt wird erkennbar, warum bestimmte Handlungen entstehen: „Ihr erhaltet die Informationen oft kurzfristig, weil wir unter hohem Kampagnendruck stehen.“ Es entsteht ein Verständnis für die systemischen Hintergründe. - Zukunftsgerichtetes Zuhören (generatives Zuhören):
Beide Seiten entwickeln gemeinsam Ideen für eine bessere Zusammenarbeit: „Was wäre ein Prozess, der für beide Seiten funktioniert – auch unter Zeitdruck?“ Es entsteht eine Win-Win-Situation mit Blick auf das übergeordnete Ziel.
Die Aufmerksamkeit in Konfliktsituationen liegt in der Regel auf Ebene 1 und 2, aber erst die Bereitschaft zum Zuhören auf Ebene 3 und 4 ermöglicht eine lösungsorientierte Perspektive.
Fazit: Wer sich in diesen Situationen auf das gemeinsame Ziel zurückbesinnt, schafft die Voraussetzung für tragfähige Lösungen!







